Verwandelt sich Vietnam in eine Autokratie?

Am 23.10.2018 wurde Generalsekretär Nguyễn Phú Trọng mit 476 von 477 Stimmen Abgeordneten (entspricht 99,79%) im Amt des Präsidenten bestätigt

Bangkok – Die in Vietnam herrschende Kommunistische Partei scheint gerade ihre „kollektive Führung“ zu untergraben. Die Kommunistische Partei schlägt nämlich ihren Generalsekretär Nguyễn Phú Trọng für das Amt des Präsidenten der Sozialistischen Republik Vietnam vor, um den im September verstorbenen Präsidenten Trần Đại Quang zu ersetzen.

Sollte die Nominierung durch die Nationalversammlung gegen Ende des Monats bestätigt werden, wird Nguyễn Phú Trọng der erste vietnamesische Politiker nach Staatsgründer Hồ Chí Minh sein, der gleichzeitig das Amt des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei Vietnams sowie des Präsidenten der Sozialistischen Republik Vietnam inne hat.

Das Prinzip der „kollektiven Führung“ wurde nach dem Tod von Hồ Chí Minh im Jahre 1969 von den Parteiführern eingeführt. Zu dem Zeitpunkt befand sich Nordvietnam im Krieg mit den USA.

Die Amerikaner glauben, dass der Sieg nach dem Tod von Hồ Chí Minh, der die Revolution im Norden anführte und dann den Krieg gegen Südvietnam, ihnen sicher sei.

Sie hatten sich geirrt.

Kein Führer hat sich jemals getraut in die Fußstapfen von Hồ Chí Minh zu treten, weshalb das Prinzip der kollektiven Führung für die Partei und für den Staats gleichermaßen implementiert wurden.

Es setzte den Geist der Revolution fort, besiegte die USA und ihre südvietnamesischen Verbündeten im Jahr 1975 und ermöglichte eine Wiedervereinigung Vietnam unter kommunistischer Herrschaft.

Fatalerweise haben die USA Vietnam und die Solidarität von dessen Führung unterschätzt.

Eine kollektive Führung stand für ein System, in dem Entscheidungen für die Partei und die Regierung nicht durch eine Person getroffen werden.

Führer von verschiedenen Fraktionen innerhalb der Partei gleichen sich gegenseitig aus, was einen Fallsturz der Diktatur verhindert.

Der jetzige Generalsekretär Nguyễn Phú Trọng, ein Theoretiker, hat das in seinem im Jahr 2011 veröffentlichtem Buch „Renewal in Viet Nam“ klargestellt. Da war er gerade erst zum Generalsekretär ernannt worden.

Nguyễn Phú Trọng schrieb: „Das Zentralkomitee der Partei sowie dessen Führung sollen ihre Arbeit an Kollektive berichten, die sie gewählt haben und denen gegenüber sie auch verantwortlich sind.“

Vietnams „kollektive Führung“ wurde mehrfach auf die Probe gestellt und konnte sich in den Jahren nach dem Tod von Hồ Chí Minh als einen wirksamen Ansatz beweisen.

Erfolg hatte es auch bei der Umsetzung des wirtschaftlichen Reformprogramms „Đổi Mới“ (Erneuerung), welches eine beeindruckende Entwicklung seit 1986 mit sich brachte.

Kein einziger Führer kann Đổi Mới für sich beanspruchen. Obwohl die Vorstellungen über die Details bei jedem unterschiedlich sein können, der Hauptgedanke ist fest und wird von allen angenommen.

Der Einfluss in der Führung des Landes schwankte immer wieder zwischen konservativen Hardlinern und eher liberalen Reformern, doch das Prinzip der kollektiven Führung sorgte für eine im Großen und Ganzen stabile Reformrichtung.

Das Prinzip der kollektiven Führung besteht aus drei Säulen: dem Präsidenten, des Premierministers sowie dem Generalsekretär.

Die Rolle des Präsidenten ist eher protokollarisch und dient der Repräsentation, dennoch spielt sie eine wichtige Rolle in der Gewaltenteilung und dienst als Vermittler in Konflikten zwischen dem Generalsekretär und dem Premierminister.

Doch mit der neuen Gewaltenteilung bewegt sich die Kommunistische Partei Vietnams näher an die Beschaffenheit des autokratischen System aus China.

Es kann gut sein, dass Nguyễn Phú Trọng das chinesische Machtmodell bevorzugt, dennoch sollte er nicht vergessen, dass Mao Zedongs charismatischer und am Ende desaströser Führungsstil dafür gesorgt haben, dass loyale Kader Maos Namen genutzt haben, um Krieg gegen die Opposition zu führen.

Nguyễn Phú Trọng ist sicherlich ein intelligenter, reifer und erfahrener Führer, doch das Vietnam von heute braucht eine Offenheit und Gewaltengleichgewicht im eigenen System eher als eine Zentralisierung der Macht unter einer charismatischen Führung.

Präsident Trần Đại Quang verstirbt unerwartet und lässt eine Lücke in des Führung des Landes. Generalsekretär Nguyễn Phú Trọng nutzt die Lücke aus, um die Macht auf seine Person zu zentralisieren.

Quelle: https://www.straitstimes.com/asia/se-asia/is-vietnam-moving-towards-autocracy-the-nation 

Hoàng Chính – VD-News, übersetzt aus der „The Strait Times“ aus Singapur


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