Heute schreibe ich, um dem deutschen Volk, der Bundesregierung sowie dem Land Deutschland für ihren großzügigen Empfang für einen ungebildeten Typen und Rowdy wie mir zu danken.
Die Vietnamesen denken normalerweise, dass wenn jemand gut zu einem ist oder ihm etwas gibt, es dann einen gewissen Grund oder einen gewissen Vorteil für sie haben muss.
Doch die Deutschen haben mir geholfen, ohne irgendetwas von mir zu verlangen. In den letzten fünf Jahren haben sie mich noch nicht einmal erwähnt. Es gibt noch so viele andere Menschen, denen sie helfen müssen. Sie haben mich sogar so sehr vergessen, dass wenn ich zu ihnen kommen würde und mich bedanken würde, sie befürchten würden, dass ich was von ihnen brauche.
Deutschland hat tausenden Vietnamesen wegen genau diesem humanitären Gedanken geholfen. Ich bin nur einer von diesen zahlreichen Vietnamesen, die von Deutschland gerettet worden sind. Ich bin keine Schachfigur in einem strategischen Schachzug. Überhaupt nicht.
Im Leben kommt es manchmal vor, das man Teil eines großes Ereignisses wird, was aber nicht bedeutet, dass man eine große Persönlichkeit wird. Man muss richtig mit den großen Persönlichkeiten oder Plänen umgehen, die die Geschichte schreiben werden und man selbst ein Kettenglied dessen ist. Und wir müssen alle davon wissen lassen. Ein Blick hinter die Kulissen von Bùi Thanh Hiếu – Người Buôn Gió:
„Von der Phất Lộc-Gasse in die Stadt Weimar“ ist meine Autobiografie, die ich geschrieben hab, als ich das Stipendiat durch die Stadt Weimar schon sechs Monate in der Hand hatte. Der Brief vom Bürgermeister der Stadt Weimar ging damals an die Adresse 22 Phất Lộc-Gasse, Hàng Buồm-Viertel, Hoàn Kiếm-Bezirk, Stadt Hanoi. Im Brief stand:
„Wir schätzen sehr Ihre literarischen und journalistischen Fähigkeiten. Wir laden Sie für sechs Monate in unsere Stadt ein, um sie zu besuchen und Ihnen die Möglichkeit zu geben, all das zu schreiben, was Sie sich wünschen.“
Was sind meine „literarischen und journalistischen Fähigkeiten“? Das weiß ich selbst nicht. Sie wissen wahrscheinlich nicht, dass das, was ich schreibe, nur zu Kritik führt. Ich spreche nicht von den Internet-Polemikern. Selbst nicht von meinen nächsten Bekannten. Sie können das nicht objektiv beurteilen.
Doch die verbleibenden Personen, Kritiker und Intellektuelle, kann ich mitzählen, weil sie objektiv sind. Viele von Ihnen sagen, dass ich gar kein Talent habe. Es ist nicht mehr als einfaches Gelaber, welches den Taxifahrer, den Gemüsehändler anspricht und gar keinen literarischen, journalistischen oder intellektuellen Wert hat. Die Leute, die das gesagt haben, geben an, sogar Artikel für die britische BBC geschrieben zu haben.
Meine Artikel wurden noch nie beim BBC, Voice of America (VOA) oder Radio Free Asia (RFA) oder sonst welchen tollen und prestigeträchtigen Seiten veröffentlicht. Wenn ich Glück hatte, wurden sie von meinen Lesern auf Facebook geteilt.
Wenn nur Taxifahrer und Gemüsehändler das lesen… sollte ich dann wegen Scham nicht mehr schreiben? Doch. Ich schreibe weiter. Für den Taxifahrer und den Gemüsehändler und sogar für die verzogenen Rowdys in den Gassen. Ich komme aus genau diesem Milieu, es ist die Sprache der Straße, die ich spreche. Ich habe nicht diese tollen Schreibfähigkeiten, die ein professioneller Autor hat.
Es gibt Leute, die riesige Villen und großartige Wohnkomplexe bauen können und genauso gibt es Menschen, die für Menschen mit niedrigem Einkommen Häuser bauen.
Mit dem schreiben ist es genauso. Es gibt akademische Literatur, hochklassigen Journalismus aber genauso Volkslieder, die von den Arbeitern verstanden werden.
Ich muss mich nicht dafür schämen. Ich habe es noch nicht einmal geschafft, die Oberstufe abzuschließen. Eigentlich habe ich nur die Mittelstufe abgeschlossen. Nach nur zwei Monaten in der Oberstufe, wurde ich von der Schule verwiesen.
Viele Menschen sagen, ich sei unkultiviert. Ich erinnere mich selbst immer daran, dass ich unkultiviert bin, um mich an mein Schicksal zu erinnern. Ich halte mich so selbst bei dem Menschen, der ich einst mal war und immer noch bin. Ich bilde keine Fantasien über meine eigene Person. In der Einleitung meiner Autobiografie, schreibe ich über die Glücksspiel-Gangs in meiner Gasse. Ich war selbst mal Teil dieser Bande. Ich schreibe das, damit die Leser verstehen, was für eine Person ich bin.
Eher schlecht als recht wurde ich von Deutschland in ihr Land eingeladen. Und dann bekam ich auch noch ein längeres Stipendium als das zuvor. So entstand erst eine Geschichte, die ich schreiben konnte.
Ich bin jetzt seit über fünf Jahren in Deutschland. Der Tag, an dem ich Vietnam verlassen hab, hat nichts besonderes zu sagen. Mich haben vier Freunde am Flughafen verabschiedet. Unter denen sind die zwei Jungs und Demokratieaktivisten Lã Dũng und Nguyễn Lân Thắng. Nichts geheimes aber auch nichts besonderes, um es als Ereignis zu bezeichnen.
Warum ich nach Deutschland konnte, hat viele zum spekulieren gebracht. Einige sagten sogar, dass ich von der Polizei ins Ausland geschickt wurde, um dort die Demokratiebewegungen niederzuschlagen. Andere sagten wiederum, ich sei ein Mitglied des Politbüros und wolle im Ausland meine eigene Macht konsolidieren. Eine Person sagte mir, ich sei ein Feigling und würde nach Deutschland abhauen, um dort ein friedliches Leben zu genießen.
Ich hab nichts gegen diese Gerüchte. So werden Demokratiebewegungen im Ausland mich meiden und wenn sie mich meiden, dann fühle ich mich auch irgendwie erleichtert. Wirklich! Über fünf Jahre, ihr könnt es sehen, hat mich keine Bewegung, keine Organisation zu ihrem Mitglied gemacht.
Ich weiß nicht, wie oft ich mich selbst als Rowdy, unkultiviert und Mafia bezeichnet habe. Ich kann mich nicht mehr erinnern. Viele sagten mir sogar, dass ich aufhören soll, darüber zu labern. Bringt doch eh nichts.
Dass ich das so schreibe, hat seinen Grund. Der erste Grund ist, wie ich es schon oft gesagt habe, dass ich mich selbst geringer einschätze als andere Autoren.
Außerdem schreibe ich das, um Deutschland, der Bundesregierung und dem deutschen Volke zu danken, dass sie einen Rowdy, einen unkultivierten Typen wie mich aufgenommen haben. Sie sichern meine Finanzen über viele Jahre, damit ich ein Leben ohne Sorge führen und frei schreiben kann oder sogar ein Geschäft öffnen kann, um Geld zur Unterstützung von irgendwelchen Personen zu schicken, die ich für unterstützenswert erachte.
Wie gesagt, ich bin kein strategischer Schachzug, auch politisch nicht. Wie kann ein Rowdy wie ich so etwas sein? Ich bin so billig, dass der deutsche Staatssekretär im Auswärtigen Amt sogar dem vietnamesischen Außenministerium vorgeschlagen hat, mein Ausreiseverbot aufzuheben, damit ich nach Weimar kommen kann. Die Regierung sowie das Ministerium für öffentliche Sicherheit Vietnams haben dem schnell entsprochen und mich dazu gedrückt möglichst schnell auszureisen.
Die Deutschen haben mir geholfen, ohne irgendetwas von mir zu verlangen. In den letzten fünf Jahren haben sie mich noch nicht einmal erwähnt. Es gibt noch so viele andere Menschen, denen sie helfen müssen. Sie haben mich sogar so sehr vergessen, dass wenn ich zu ihnen kommen würde und mich bedanken würde, sie befürchten würden, dass ich was von ihnen brauche.
Die Vietnamesen denken normalerweise, dass wenn jemand gut zu einem ist oder ihm etwas gibt, es dann einen gewissen Grund oder einen gewissen Vorteil für sie haben muss. Das verstehe ich, weil ich vielen Menschen in Vietnam geholfen hab und andere Leute mir gesagt haben dass ich Geld von der und der Person erhalten haben. Es habe nichts mit Gutmenschlichkeit zu tun.
Die Deutschen sind sehr großzügig und freundlich zu mir, obwohl sie hart arbeiten und sehr sparsam leben. Das ist das, was ich gesehen habe.
Ich habe oft erwähnt, was für einen geringen Wert ich habe, damit ihr sehen könnt, was die Deutschen für mich an Kraft, Geld und Großzügigkeit aufwenden, ohne irgendwelche Anforderungen zu stellen.
Es gibt sicherlich den einen oder anderen, der sich wundert, warum die Deutschen, aus welchem Grund auch immer, mich aufgenommen haben und nicht jemanden, der aufmerksamer oder gebildeter als ich ist.
Es ist einfach: Lerne bis zur Mittelstufe und schreibe erst mal Blogs für Taxifahrer und Gemüsehändler wie ich.
Außerdem bin ich im Rahmen des Writer-in-Exile-Programm des deutschen PEN-Zentrums in Deutschland. Es ist ein Programm, welches Länder würdigt, die Journalisten, die unter der Zeit des Nationalsozialismus vertrieben worden sind.
Kann ich sagen, dass ich ein Joker für die Taten bin, die Deutschland in der Vergangenheit getan hat?
Nein. Ich bin kein Bettler, der so was tut, um ewig dankbar sein zu müssen.
Deutschland hatte einst die Cap Anamur, die 11.000 vietnamesische Boat People in den 1970-80er Jahren gerettet hat. Sie wurden nach Deutschland gebracht, dort versorgt, haben die Sprache und einen Beruf gelernt, um ein stabiles Leben führen zu können. In den 1990er-Jahren sollten zigtausende Gastarbeiter nach Vietnam zurückkehren, doch sie sind geblieben. Und haben von Deutschland die nötigen Dokumente erhalten. Heute gibt es hunderttausende Vietnamesen auf deutschem Boden, die jährlich viele Hilfsprojekte haben, um den eigenen Landsleuten zu helfen. Deutschland hat tausenden Vietnamesen wegen genau diesem humanitären Gedanken geholfen. Ich bin nur einer von diesen zahlreichen Vietnamesen, die von Deutschland gerettet worden sind. Ich bin keine Schachfigur in einem strategischen Schachzug.
Im Leben kommt es manchmal vor, das man Teil eines großes Ereignisses wird, was aber nicht bedeutet, dass man eine große Persönlichkeit wird. Man muss richtig mit den großen Persönlichkeiten oder Plänen umgehen, die die Geschichte schreiben werden und man selbst ein Kettenglied dessen ist. Und wir müssen alle davon wissen lassen.
Mein Leben war auch mal so. Ich wurde von Deutschland sehr würdig empfangen. Auf einmal hat Trịnh Xuân Thanh den Weg hierher gesucht. Ich hatte die Chance für etwas Furore zu sorgen. Hunderttausende folgten mir auf Facebook. Wie ein Zentrum der öffentlichen Diskussion in einem Zeitraum von circa einem halben Jahr. Doch das ist nur ein Zufall, den das Schicksal mit sich gebracht hat. Irgendwann ist es wieder vorbei. Wie Trịnh Xuân Thanh, der im Schweigen verschwand und sogar entführt wurde. Und ich, wie viele andere Vietnamesen auch, werde als jemand vergessen, der einst von Deutschland hierher geholt wurde. Ich bin ein normaler Mensch, der Besitzer eines Sushi-Ladens. Ich bin Angestellter und Chef gleichzeitig oder verkaufe ganz normal noch Haushaltsware wie viele andere Menschen auch.
Das bin ich, der Chef eines kleinen Sushi-Ladens, der mit einer Hand noch Haushaltsware verkauft und Deutschland ein stabiles Leben zu verdanken hat. Dazu kommt noch, dass meine Kinder in einer guten Umwelt zu Schule gehen dürfen, die reine Luft atmen und nicht die Abgabe von den Formosa-Werken. Hier gibt es nicht deren Feinstaub.
Via Facebook Phong Thương Bùi (Người Buôn Gió – „Der Windhändler“)