Auf Vermittlung der deutschen Bundesregierung ist der vietnamesische Menschenrechtler Nguyen Bac Truyen am Freitag in Vietnam aus der Haft entlassen worden. Er soll noch am späten Freitag abend gemeinsam mit seiner Frau in Deutschland landen. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes bestätigte das gegenüber Thoibao und erklärt: „Wir begrüßen die Freilassung des Bürgerrechtlers. Das ist eine wichtige humanitäre Geste der Hanoier Regierung.“ Dem Vernehmen nach hatte Außenministerin Annalene Baerbock (Grüne) den Fall gegenüber ihrem vietnamesischen Amtskollegen Bui Thanh Son bei politischen Gesprächen im September 2022 in Berlin angesprochen.
Nguyen Bac Truyen ist ein Religions- und Rechtsexperte und leitete bis zu seiner Inhaftierung die vietnamesische Assoziation für politische und religiöse Gefangene, die gewaltlose inhaftierte Bürgerrechtler und deren Familien unterstützt. Er war 2018 vom Hanoier Volksgericht zu einer Haftstrafe von elf Jahren wegen „Propaganda gegen den sozialistischen Staat“ verurteilt worden. Er hat sich öffentlich für Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit und ein pluralistisches Mehrparteiensystem eingesetzt. Der 55jährige gehört der verbotenen buddhistischen Religionsgemeinschaft Hoa Hao an, hat sich aber als Jurist auch für Rechte katholischer Religionsangehöriger eingesetzt. 2011 wurde er mit für seine Schriften zu politischen Häftlingen in Vietnam und deren Haftbedingungen mit dem Hellman/Hammett-Preis der Organisation Human Rights Watch geehrt.
Der Strafprozess 2018 dauerte lediglich einen Tag. „Ursprünglich war der Prozess auf zwei Tage angesetzt,“ erklärt die FDP-Abgeordnete Gyde Jensen auf ihrer Website. Jensen hat im Rahmen des Programms „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ eine parlamentarische Patenschaft für den Menschenrechtler ausgeübt. Sie schreibt: „Hinter so kurzen Prozesszeiten steckt Absicht, um solche Fälle schnell und mit möglichst wenig Öffentlichkeit abzuwickeln.“
Um sich für die Freiheit ihres Paten einzusetzen, hatte Jensen 2018 ein Gespräch mit dem vietnamesischen Botschafter in Berlin geführt. Jensen: „Die offizielle Position lautete, wer das Recht nicht achte, der müsse mit den Konsequenzen rechnen. Dazu gehören Presse- und Meinungsfreiheit leider nicht.“
Die Verurteilung 2018 war nicht die erste, die der Mann erlitt. Er war bereits zwischen 2006 und 2010 wegen politischer Delikte inhaftiert gewesen und leidet seitdem unter einem Rückenleiden und Magen-Darm-Problemen aufgrund von Misshandlungen und unhygienischen Wassers in der Haft. Während der Freiheit zwischen beiden Haftstrafen hatte der Mann für eine katholische Religionsgemeinschaft gearbeitet und war mehrmals von Unbekannten zusammengeschlagen worden.
Marina Mai